SFDR, Artikel-8-Fonds, Taxonomieverordnung – rund um das Regelwerk zu nachhaltigen Finanzinstrumenten ist in den vergangenen Jahren ein wahrer Dschungel an Begrifflichkeiten und Regelungen gewachsen. Da fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Gemeinsam mit Christian Hackenberg, Rechtsanwalt und Partner bei drrp Rechtsanwälte München, hat die comdirect daher ein Dokument für Finanzdienstleister erstellt, in welchem die wichtigsten Begriffe und Regelungen zum Thema vorgestellt werden. Was Sie als Anleger wissen sollten, erfahren Sie hier.


Hintergründe


Auf der internationalen Klimakonferenz wurde 2015 das Pariser Abkommen beschlossen: ein von 176 Staaten ratifizierter Vertrag, durch den sich die Vertragspartner verpflichten, die Weltwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten. Konkret hat das Übereinkommen zum Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf möglichst 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, um so die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren. Zudem sollen Maßnahmen ergriffen werden, um besser mit den unumkehrbaren Folgen des Klimawandels umgehen zu können und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen zu fördern. Schließlich sollen die Finanzströme mit den Klimazielen in Einklang gebracht werden. An diesen Punkt knüpfen die nach und nach in Kraft tretenden Maßnahmen rund um Offenlegungs- und Taxonomieverordnung an.


Offenlegungsverordnung


Bei der Umsetzung der Klimaziele im Finanzbereich spielt die Transparenz eine Schlüsselrolle. Die Offenlegungsverordnung der EU (SFDR: Sustainable Finance Disclosure Regulation) ist ein Versuch, diese zu fördern. Sie verpflichtet Anbieter von Finanzprodukten dazu, ihre Produkte in eine von drei Kategorien (Artikel 6, Artikel 8 und Artikel 9) einzuordnen und Anlegern vorab transparente und vergleichbare Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungszielen (ESG: Environmental, Social, Governance) vorzulegen – zu finden sind diese Infos im jeweiligen Prospekt des Produkts. Unternehmen, die ihre Angebote als ökologisch oder sozial bewerben, unterliegen zudem einer regelmäßigen Berichterstattungspflicht.


Artikel 6


Finanzprodukte, die Artikel 6 zugeordnet werden, berücksichtigen Nachhaltigkeitsrisiken. Sie bewerten die potenziellen Auswirkungen, die diese Risiken auf die Entwicklung der Geldanlage haben können.


Artikel 8


Artikel-8-Produkte berücksichtigen bei der Auswahl ihrer Anlageinstrumente ökologische und/oder soziale Merkmale und bewerben dies entsprechend. Dabei gibt es verschiedene Vorgehensweisen. So ist es beispielsweise möglich, bei einem Artikel-8-Produkt lediglich nach Ausschlusskriterien zu gehen, oder aber zusätzlich nach sogenannten „Best in Class“-Unternehmen zu schauen – diejenigen Unternehmen eines Anlageuniversums, die sich bei der Berücksichtigung von ESG-Kriterien besonders hervortun. Artikel-8-Produkte werden auch häufig als „hellgrün“ bezeichnet.


Artikel 9


Die „dunkelgrünen“ Finanzprodukte nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung schließlich setzen sich gezielt messbare Nachhaltigkeitsziele, angelehnt an das Pariser Abkommen. Dieses bildet die Grundlage für das Anlageuniversum. Gleichzeitig dürfen die Investments keinen „signifikanten Schaden“ anrichten („Do no significant harm“). Sie dürfen also ihr gesetztes Nachhaltigkeitsziel nicht auf Kosten anderer Nachhaltigkeitsaspekte erreichen.


Taxonomieverordnung


Die Taxonomieverordnung gilt für die EU-Mitgliedsstaaten und die EU selbst, Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen sowie Unternehmen, die verpflichtet sind, nichtfinanzielle Erklärungen zu veröffentlichen. Sie bezieht sich – anders als die Offenlegungsverordnung – ausschließlich auf Umweltziele, also das „E“ der ESG-Kriterien. Sie soll die Grundlage für die Entscheidung bilden, inwieweit eine wirtschaftliche Tätigkeit oder ein Produkt als ökologisch nachhaltig eingeordnet werden kann, und kann somit als Teilgrundlage für die Einordnung von Finanzprodukten in die Kategorien der Offenlegungsverordnung verstanden werden.


Die sechs Umweltziele, die wiederum Grundlage für die Taxonomie sind, wurden sukzessive durch die EU veröffentlicht und haben somit auch unterschiedliche Anwendungsfristen. Im April 2021 veröffentlichte die EU die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“. Frist für die Anwendung war dann im Januar 2022. Die weiteren Umweltziele, „Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen“, „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“, „Vorbeugung oder Kontrolle von Umweltverschmutzung“ und „Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen“ wurden erst im Dezember 2021 veröffentlicht und sollen laut Zeitplan ab Januar 2023 Anwendung finden. Die konkreten Tätigkeiten definieren die sogenannten technischen Regulierungsstandards (RTS).


Kritik an den Maßnahmen


Die schrittweise Veröffentlichung und Implementierung der verschiedenen Verordnungen sorgt vielerorts für Unsicherheit und Verwirrung – und das nicht allein auf Anlegerseite. Die Einstufung als Artikel-8- oder Artikel-9-Produkt erfolgt nicht durch eine unabhängige Instanz, sondern durch die Gesellschaften selbst. Somit braucht es dort Stellen, die die gesamte Entwicklung rund um die Maßnahmen ständig im Auge behalten und darauf achten, dass bei Änderungen oder der Implementierung neuer Verordnungen, Gesetze und Ziele die Einstufung der Produkte weiterhin korrekt ist.


Hinzu kommt, dass die Taxonomie bisher allein die ökologischen Ziele definiert – in den Bereichen Soziales und Unternehmensführung hingegen sieht es dort noch mau aus. Gerade hier müssen also Anbieter damit rechnen, dass es noch Änderungen an den Regelungen gibt.


Die Unsicherheiten führen also gerade im Bereich der Beteiligungen und Sachwerte dazu, dass Anbieter auf eine Einstufung in Artikel 8 oder 9 vorsichtshalber verzichten. Wer als Anleger also eine Investition in diese Asset-Klassen in Betracht zieht, sollte sich nicht direkt abschrecken lassen, wenn ein Produkt weder als Artikel-8- noch als Artikel-9-Produkt eingestuft ist.


Eine immer wieder aufkommende Kritik ist schließlich, dass die Offenlegungsverordnung belohnt, was bereits gut läuft. Branchen, in denen starker Aufholbedarf herrscht, was die ESG-Kriterien betrifft, werden hingegen abgestraft – was im schlimmsten Fall dazu führt, dass hier die nötigen Investitionssummen fehlen, um den Sprung zur Nachhaltigkeit zu schaffen.  „Die Taxonomie bewertet die Guten, sie ist auf den Status-Quo bezogen. Stattdessen sollte sie vielmehr Anreize setzen, um dort, wo noch keine Sanierung geplant ist, Potenziale zu heben und so auf eine Transformation hin zu wirken“, resümiert Dr. Christine Lemaitre, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), in einem Artikel von portfolio institutionell.


Fazit


Die Maßnahmen der EU sind wichtige Schritte, um die Themen Nachhaltigkeit und ESG weiter voranzubringen und transparenter zu machen. Allerdings lohnt es sich gerade jetzt in der noch chaotischen Anfangsphase, tiefer zu blicken als bis zur Einstufung nach der EU-Offenlegungsverordnung.


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