„Von Autos über Nahrung bis zu High-Tech: China bietet für zahlreiche Produkte einen der dynamischsten Märkte weltweit. Aufgrund des jüngsten Handelsstreits mit den USA muss aber genauer hingesehen werden, um frühzeitig Risiken und zugleich neue Chancen zu erkennen“, schreibt Stefan Breintner, stellvertretender Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG, in seinem aktuellen Marktkommentar. Das Researchteam von DJE ist regelmäßig vor Ort und pflegt Kontakte zu Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Regierungsvertretern. In Kürze wollen die Kapitalmarktexperten zudem zahlreiche Unternehmen an der West- und Ostküste der USA besuchen.


Wie Breintner berichtet, waren bei der zurückliegenden Reise nach Shanghai und Umgebung vor allem die Themenfelder Luftverschmutzung und Food Safety virulent. Hintergrund ist ein langsam wachsendes Umweltbewusstsein insbesondere in der chinesischen Mittelschicht. Die möglichen Auswirkungen eines Handelskrieges mit den USA standen im Frühjahr 2018 noch an nachgeordneter Stelle. Gut ein halbes Jahr später habe sich die Situation allerdings gedreht: Dominierendes Thema bei Unternehmensbesuchen und Konferenzen im September war demnach der Handelskrieg mit den USA und dessen weitere Auswirkungen.


„Die Zolldiskussion lässt die Unsicherheit bei Unternehmen und Verbrauchern ansteigen – mit daraus resultierender Investitionszurückhaltung und abnehmendem Konsumentenvertrauen. Umweltschutz und Kampf gegen die Luftverschmutzung stehen unabhängig davon nach wie vor im Fokus. Allerdings zeigen hier die auch im Rahmen des Supply-Side-Reformprojekts erfolgten Kapazitätsschließungen in der Industrie ihre Wirkung: Bilder eines blauen Himmels in Beijing waren in den vergangenen Monaten ein sehr beliebter Post in den chinesischen sozialen Netzwerken“, so Breintner.


Auch über die Wintermonate 2018/19 werde es voraussichtlich weitere Kapazitätsschließungen geben, beispielsweise bei Stahlproduzenten oder in der Chemiebranche. Nur Unternehmen, welche die strengen Standards und Auflagen erfüllen, dürfen uneingeschränkt produzieren. Diese im Rahmen der Supply-Side-Reform implementierten Maßnahmen dürften kurzfristig einen dämpfenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben, sollten nach Einschätzung des Experten aber längerfristig positiv zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsentwicklung in China beitragen.


Chinas Wirtschaftswachstum schwächelt


Auf kurze bzw. mittelfristige Sicht sei jedoch von einer Belastung des chinesischen Wirtschaftswachstums durch den Handelskrieg mit den USA auszugehen. Denn seit dem 24. September dieses Jahres erheben die USA auf rund die Hälfte aller Wareneinfuhren aus China Sonderzölle. Hierbei handelt es sich aktuell um ein Warenvolumen in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar, welches zunächst einem Zoll von zehn Prozent unterliegt. „Dieser steigt im kommenden Jahr, sofern Washington und Peking den Handelskrieg nicht vorher beilegen oder eine andere Einigung finden, voraussichtlich auf 25 Prozent an. Unternehmen, die in China für den US-Markt produzieren, sind daher mit deutlich steigenden Importpreisen konfrontiert, welche einen negativen Einfluss auf die Profitabilität haben – sofern nicht deutliche Preiserhöhungen durchgesetzt werden“, führt der DJE-Kapitalmarktexperte aus.


US-Präsident Donald Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping wollen am Rande des G20-Gipfels Ende November dieses Jahres in Argentinien über die Handelsstreitigkeiten sprechen. Denn aufgrund der zuletzt tendenziell enttäuschenden chinesischen Wirtschaftsdaten steigt der Druck auf Peking mit den USA eine Lösung zu finden. Eine Beilegung des Handelsstreits bzw. chinesische Zugeständnisse an die USA und damit ein möglicher Verzicht auf weitere Zölle dürften nach Einschätzung von Breintner von Investoren und Aktienmärkten sehr positiv aufgenommen werden und zu entsprechender Kurserholung an vielen, vor allem von China abhängigen Börsenplätzen führen. Ob es aber noch im Jahresverlauf zu einer Lösung im Handelsstreit komme, sei nicht seriös prognostizierbar.


Was, wenn der Handelsstreit eskaliert?


Anleger sollten allerdings auch ein Szenario berücksichtigen, in dem es zu keiner Einigung kommt sowie die Möglichkeit besteht, dass die US-Regierung das gesamte Einfuhrvolumen der USA aus China mit Sonderzöllen belegt, betont der Experte. In diesem Fall würden weitere chinesische Waren im Wert von rund 267 Milliarden US-Dollar mit Sonderzöllen von 25 Prozent belegt. Sollten die USA wirklich diese dritte Phase einleiten, könnte die chinesische Regierung aber auch weitere Gegenmaßnahmen erlassen. So habe China bisher mit Zöllen auf US-Produkte im Umfang von 60 Milliarden US-Dollar reagiert. „Lokale Marktbeobachter halten es für wahrscheinlich, dass im Falle einer weiteren Zuspitzung auch US-Unternehmen, die in China aktiv sind und für die das Land ein wichtiger Teil ihrer Wachstumsstory ist, in den Fokus geraten. Es besteht also auch das Risiko, dass der Handelskrieg zu einem weiter gefassten Wirtschaftskrieg wird und US-Geschäfte in China direkt belangt werden könnten. Eine erneute Eskalation dürfte die Börsen weiter belasten. Der chinesische CSI 300-Index und der Hang Seng-Index in Hongkong haben von Ihrem Höchststand bereits mehr als 25 Prozent verloren. Insofern erscheint hier bereits ein Teil der durch den Zollkonflikt bedingten erwarteten Wachstumsabschwächung eingepreist“, erklärt Breintner.


Trotz Eskalation: China kein Verlierer


Der Welthandel dürfte insgesamt unter verschärften Zollerhebungen leiden. „Schätzungen gehen bisher von bis zu einem Prozent Wachstumsabschwächung in China durch die US-Zollpolitik aus. China arbeitet aber seit Jahren daran, die Binnenkonjunktur (Konsum, Service) zu stärken und den Exportanteil zu verringern, damit das Land weniger abhängig vom Ausland ist. Darüber hinaus hat die chinesische Regierung auch bereits begonnen monetär zu stimulieren. Unter anderem hat die Chinesische Notenbank zuletzt am 8. Oktober die Mindestreserve-Anforderungen für Banken – also das Level an Bargeld, welches Banken als Reserve halten müssen – erneut gesenkt und damit Liquidität im dreistelligen Milliarden-Bereich an US-Dollar zur Verfügung gestellt. Weitere Stimulierungsmaßnahmen folgen: So wurde vergangenes Wochenende bekannt gegeben, dass die Einkommensteuer ab 1. Januar 2019 gesenkt wird.“ Auch im Immobilien-Bereich werde gelockert, Preisobergrenzen für Immobilien könnten bald in mehreren Städten aufgehoben werden. Allerdings, so Breintner, wirken solche Maßnahmen immer erst mit Zeitverzug – und könnten daher erst im Laufe des Jahres 2019 eine positive Wirkung auf die Entwicklung des volkswirtschaftlichen Wachstums haben. China habe insgesamt viele Möglichkeiten zu stimulieren und sollte daher letztendlich nicht der Verlierer des Handelskriegs sein. Exportnationen wie Deutschland dürften vom chinesisch-amerikanischen Handelskonflikt deutlich stärker betroffen sein. China selbst dürfte heute nicht stärker von der weltweiten Exportkonjunktur abhängig sein als die USA oder Japan.


Anleger können den möglichen Abschwung sinnvoll nutzen  


„Mit Blick auf die Anlageperspektiven in China bzw. in der Region Asien Pazifik ist die Unsicherheit kurzfristig hoch. Die von DJE verwalteten Asienfonds verfügen daher aktuell über eine höhere Kassenposition und sind vor allem in defensiven Sektoren übergewichtet. Im Falle einer Einigung oder einer Beilegung des Zollstreits könnten die Kassenbestände allerdings schnell in strukturell gut positionierte Werte aus zyklischen Sektoren, deren Kurse unter dem Handelsstreit massiv gelitten haben, umgeschichtet werden. Im Falle einer Verschärfung der Zollstreitigkeiten sollte die defensive Positionierung zu einem relativ besseren Abschneiden führen. Durch die Stimulierungsmaßnahmen der chinesischen Regierung könnte aber auch im Laufe des kommenden Jahres wieder eine Wachstumsphase beginnen“, fasst Breintner zusammen. Sein Fazit für längerfristig orientierte Anleger: Erneute zollbedingte Kursrückgänge könnten sich als gute Einstieg- oder Zukaufgelegenheit erweisen.


Das Chartbild zeigt beispielhaft drei China-Fonds, die Sie über FondsDISCOUNT.de ohne Ausgabeaufschlag ordern können: