Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) beschließt aufgrund sinkender Ölpreise erneut eine Kürzung der Ölproduktion, um den Preis zu stabilisieren – zunächst vergeblich. Denn obwohl auch zahlreiche Staaten außerhalb der OPEC bei der Förderkürzung mitmachen, bricht der Ölpreis zu Beginn der Woche um knapp fünf Prozent ein. Die Kürzung der Ölproduktion solle Einheit und Entschlossenheit unter den Produktionsländern symbolisieren, sagt David Donora, Leiter des Rohstoffbereiches bei Columbia Threadneedle Investments in einem aktuellen Kommentar an Investoren. Die Entscheidung sei von den Märkten bereits im Vorfeld weitestgehend eingepreist worden, was den Kursrückgang erkläre.

„Die Ankündigung der OPEC stützt unsere Annahme, dass die Ölpreise weiter steigen werden“, so Donova. „In unseren Portfolios gewichten wir auf Öl basierende Energiewerte weiterhin über, unter anderem durch Positionen in US-Benzin. Wir gehen zudem davon aus, dass Öl der Sorte Brent in der zweiten Jahreshälfte, wenn die Märkte wieder ausgeglichen sind, höher gehandelt wird als heute.“



Das Dilemma der OPEC
Doch wie stark kann der Ölpreis tatsächlich steigen? Die OPEC befinde sich in einem „Dilemma“, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Organisation dürfe die Ölpreise nicht zu sehr in die Höhe treiben, denn das würde auch der Schieferöl-Produktion in den USA zugutekommen. Die Vereinigten Staaten würden dann nicht nur zum weltweit größten Ölverbraucher, sondern auch zu einem der größten Ölproduzenten der Welt neben Russland und Saudi Arabien aufsteigen. Die USA halten sich nicht an die Vereinbarungen der OPEC und erweitern kontinuierlich ihre Schieferöl-Produktion. Außerdem sinken die Kosten dieser noch relativ jungen Technologie kontinuierlich. Mit einem steigenden Ölpreis können sich die USA immer mehr Marktanteile sichern.



Der Versuch der OPEC in den vergangenen drei Jahren, die USA mit einer Ausweitung der Öl-Produktion und einem niedrigen Ölpreis aus dem Markt zu drängen, ging also nach hinten los: Und Das Ölkartell steckt nun zusammen mit Russland „in der Klemme“, wie die Financial Times es ausdrückt. Beide Ölgiganten, die zusammen etwa 20 Prozent der Produktion ausmachen, setzen eine Förderkürzung von zwei Prozent des jährlichen Bedarfs bis mindestens März 2018 fest. Beide Länder müssen jetzt alles tun was in ihrer Macht steht, um den Ölpreis zu stabilisieren.

„Die Golfstaaten haben wirtschaftlich lange von hohen Ölpreisen profitiert, in den vergangenen Jahren mussten sie sich aber der neuen Realität mit niedrigen Ölpreisen anpassen“, sagt Leo Hu, Portfoliomanager für Schwellenländeranleihen bei NN Investment Partners. Infolge des Ölpreiseinbruchs seit Mitte 2014 musste Saudi-Arabien 2015 und 2016 ein Haushaltsdefizit in Höhe von 15 Prozent bzw. 13 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts verkraften. Außerdem sei der Krieg im Jemen sehr kostspielig. Die Regierung hat sich jedoch einer Vision 2030 mit umfassenden Reformen verpflichtet, um von der Ölproduktion unabhängiger zu werden. Schon 2020 sollen einige der geplanten Maßnahmen umgesetzt werden.

Golfstaaten vor dem Strukturwandel
Auch die anderen Golfstaaten befinden sich im Wandel. Ähnliche Reformvorhaben gebe es in Bahrain, das wegen seines begrenzten Öl- und Gasreichtums den höchsten Breakeven-Ölpreis der gesamten Golfregion habe. Kuwait habe über Jahre hinweg große Gewinne aus dem Ölexport angespart.



Dieser umsichtige Umgang mit dem Ölreichtum äußere sich in einer beachtlichen Kreditstärke, die einen erheblichen Puffer für langfristige niedrigere Energiepreise biete. In Katar werde der jüngste Ölpreissturz die Staatseinnahmen beeinträchtigen, aber die Diversifikationspläne des Landes vermutlich nicht ins Wanken bringen, da Katar im Laufe der Zeit beachtliche finanzielle Puffer aufgebaut habe. Der Golfstaat Oman habe trotz der starken Abhängigkeit von Öleinnahmen gutes Potenzial, seine Wirtschaft erfolgreich zu diversifizieren, z.B. in den Bereichen Tourismus und Logistik – das gelte daher als bestgehütetes Geheimnis der Region, heißt es in dem Marktbericht von NN Investment Partners.

„Insgesamt bietet die Region für Anleiheinvestoren gute Chancen und macht Fortschritte bei der Anpassung an die neue Öl-Realität – aber der schwierigste Teil der Reformen steht noch aus“, sagt Hu. „Bei der Analyse von Staatsanleihen sind für uns viele Parameter relevant, beispielsweise die Nettovermögensposition, das Management der Währungsreserven, die Reformbereitschaft, fiskalische Puffer, die potenzielle wirtschaftliche Diversifikation und die Nachfolgeplanung. Betrachtet man diese Faktoren, gibt es unserer Ansicht nach erhebliche Anlagechancen in der Golfregion, zumal die Anfangsphase der Strukturreformen erste positive Ergebnisse zeigt.“

Noch sind die Voraussetzungen also gut, dass sich die Golfstaaten rechtzeitig reformieren können, bevor die Verluste aus einem langfristig niedrigen Ölpreis ihren Tribut zollen. Eine Analyse von Goldman Sachs, die FondsDISCOUNT.de vorliegt, legt allerdings den Schluss nahe, dass es schon im kommenden Jahr einen neuen Abwertungsdruck auf den Ölpreis geben könnte, wenn die Vereinbarung zur Drosselung der Ölförderung endet und die US-Schieferöl-Industrie gleichzeitig unbeeindruckt weiter wächst.