FondsDISCOUNT.de: Herr Professor Otte, bereits 2010 veröffentlichten Sie ein Buch namens „Die Krise hält sich nicht an Regeln“. Namentlich betrachtet unterscheidet sich Ihr neues Buch von diesem lediglich im Untertitel: „99 Antworten auf die wichtigsten Fragen nach dem Corona-Crash“. Sehen Sie es als Neuauflage oder als Fortsetzung des Buches von 2010?


Prof. Dr. Max Otte: Der Verlag trat mit der Idee an mich heran, das Buch von 2010 zu aktualisieren, dann hätte man schnell wieder einen etablierten Titel am Markt. Ich habe gleich gesagt, dass in den zehn Jahren so viel passiert ist, dass ich ein weitgehend neues Buch schreiben muss. Das ist dann auch passiert. Drei Viertel des Buches sind komplett neu geschrieben. Gleichzeitig war es aber auch spannend zu sehen, dass viele meiner Thesen zum politischen System erstaunlich gut die Zeit überdauert haben. So finden sich gelegentlich kurze Rückblicke zur Zeit vor zehn Jahren.


Der Untertitel ist wortwörtlich zu nehmen: Die 99 Fragen beantworten Sie im Stil eines Interviews, unterbrochen durch Exkurse, die Hintergrundwissen zu ein paar der angesprochenen Themen bereitstellen. Warum haben Sie sich für dieses Format entschieden?


Die Idee ging auf einen bekannten Wirtschaftsjournalisten zurück, der heute allerdings bei der Social-Media-Abteilung eines DAX-Konzerns arbeitet. Nach dem 600 Seiten dicken „Weltsystemcrash“ fand ich es gut, ein etwas lockereres Format zu haben, um aktuelle Entwicklungen zu beleuchten. Weltsystemcrash ist das Basiswerk, „Die Krise hält sich nicht an Regeln“ aktualisiert die dortigen Ausführungen und fügt die Themen Corona und politisches System beziehungsweise Lobbyismus hinzu.


Schwerpunkt des Buches ist – wie der Untertitel verrät – die Corona-Krise. Sie gehen aber auch auf weitere Themen ein, die damit im engeren oder weiteren Sinne zusammenhängen. Können Sie uns einen kurzen Überblick über den thematischen Aufbau des Buches geben?


Ich versuche, die Welt aus dem Blickwinkel des politischen Ökonomen zu verstehen. Als ich meine Professur an der Universität Graz hatte, sagte mir der junge Dekan der Wirtschaftswissenschaften, dass die Ökonomen zwar gut darin seien auszurechnen, wie Regeln sich auf den Märkten auswirken, aber nicht gut zu analysieren, wie diese Regeln entstehen.


Unter diesem Blickwinkel mache ich eine Bestandsaufnahme der Weltwirtschaft, analysiere die ökonomischen Auswirkungen von Corona sowie der Verschiebungen in der Weltwirtschaft und der Rivalität zwischen den USA und China und den Abstieg Europas. Ich werfe einen kritischen Blick auf die Ökonomie und die Ökonomen, spreche über Lobbyismus, das politische System, Inflation, Deflation und die Regulierung der Kapitalmärkte.


Schließlich gebe ich auch Hinweise darauf, wie man der Krise trotzen kann und was gute Anlagestrategien sind. Mit unseren Fonds sind wir auf jeden Fall bislang hervorragend durch die Krise gekommen. Der Max Otte Vermögensbildungsfonds ist laut einem Fachmagazin einer der Fonds, der sich am besten von der Corona-Krise erholt hat.


Sie werden häufig als Crash-Prophet betitelt – eine Bezeichnung, die Sie so nicht akzeptieren. Sie betonen immer wieder, in der Regel eher „bullish“ eingestellt zu sein. Warum, glauben Sie, wird dies in der Öffentlichkeit nicht so stark wahrgenommen?


Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser. Da ich mich in den letzten Jahren auch politisch sehr unbequem geäußert habe, ist dies auch ein Etikett, mit dem man mich abstempeln kann.


Für die Leitmedien war ich früher auch „der anerkannte Krisenökonom“ (Handelsblatt), der „Seher“ (Augsburger Allgemeine), „Anwalt der Bürgerinnen und Bürger“ (Augsburger Allgemeine“), der „Prediger“ (FAZ), der Investor und Fondsmanager. Seitdem ich mich zu den Zuständen im Land äußere, versuchen die Leitmedien, mich mit negativen Begriffen zu belegen.


Dabei bin ich tatsächlich kein Crash-Prophet. Über 80 Prozent meiner Prognosen sind bullish. Anfang April 2020 habe ich zum Höhepunkt der Corona-Krise öffentlich dazu aufgerufen zu investieren, während andere nur gewarnt haben. Das können Sie leicht im Internet recherchieren. Unsere Performance kann sich daher auch sehen lassen.


Sie gelten – auch aufgrund Ihrer Crash-Vorhersagen – als unbequem. Empfehlen Sie Ihr Buch auch Menschen, die Ihre Meinungen nicht teilen? Oder andersherum gefragt: Gibt es auch Menschen, die Ihr Buch nicht lesen sollten?


Leider kapseln sich in Zeiten wie diesen immer mehr Menschen in ihrer Welt ab. Je unsicherer die Zeiten werden, umso mehr klammern sich viele an einfache Glaubenssätze, um wenigstens etwas Sicherheit zu haben. Aber diese Sicherheit ist falsch. Gerade jetzt ist Offenheit gefragt. Leider polarisiert sich auch durch den Einfluss der Massenmedien alles immer mehr.


„Weltsystemcrash“ war eine 600 Seiten dicke fundierte Analyse der Entwicklungen im Weltsystem. Klar sucht man sich einen „knackigen“ Titel aus. Aber das Buch war ein sehr substantiiertes Sachbuch. „Die Krise hält sich nicht an Regeln“ führt diese Themen fort und aktualisiert sie. Insbesondere gehe ich auf die wirtschaftlichen Folgen von Corona ein.


Jeder Mensch, der keine Scheuklappen hat, kann und sollte diese Bücher lesen. Sie werden vielleicht neue Gedanken darin entdecken, wenn sie offen sind. Was Sie dort nicht finden werden, sind ausfällige Sprache oder abstruse Theorien.



Ein Zitat aus Ihrem Buch ist: „Die meisten Menschen wollen eigentlich ihr Weltbild bestätigt sehen und verdrängen Informationen, die nicht hineinpassen.“ Seit der ersten Ausgabe von „Die Krise hält sich nicht an Regeln“ ist in der Welt viel passiert. Haben auch Sie – speziell auf das Buch bezogen – an einigen Stellen Ihre Meinung ändern müssen?


Bei „Der Crash kommt“, dessen Erscheinen mittlerweile fast 15 Jahre her ist, lag ich in zwei Punkten falsch: Erstens hätte ich nicht gedacht, wie stark dieser Crash auch Europa treffen würde, da die Ursachen klar in den USA lagen. Zweitens habe ich nicht für möglich gehalten, mit welch extremen Zwangsmaßnahmen (Niedrigzinsen, Konjunkturprogramme, Liquiditätsspritzen ungeahnten Ausmaßes) die Staaten die Wirtschaft wieder beleben würden.


„Die Krise hält sich nicht an Regeln“ erschien vor elf Jahren. Wer die Neuauflage kauft, hat ein neues Buch in den Händen, denn 80 Prozent des Buches sind neu. Das liegt aber weniger daran, dass die Kernthesen des Buches falsch waren. Schon damals analysierte ich politische Inkompetenz, Lobbyismus und zum Beispiel Fake News und Falschinformation. Auf Letzteres bin ich durchaus etwas stolz.


Es liegt viel mehr daran, dass die damals kritisierten Entwicklungen sich massiv beschleunigt haben. Lobbyismus, Staatsversagen, Staatswirtschaft, Überwachung und Fake News haben erschreckende Ausmaße angenommen. Seit einigen Jahren gibt es sogar Negativzinsen – etwas, dass ich zum Zeitpunkt des Erscheinens des ersten Buches nicht für möglich gehalten hätte.


Die Kernthesen des Buches haben also erstaunlich gut gehalten, aber es ist so viel passiert, dass letztlich ein neues Buch entstanden ist.


Sie gestehen der Corona-Krise ausdrücklich eine gewisse Regelhaftigkeit zu – um diese zu erkennen, müsse man aber tiefer graben. Steht dies nicht im Widerspruch zum Titel Ihres Buches?


Es reicht eben nicht, die Corona-Krise mit Hilfe des Werkzeugkastens der Ökonomie zu suchen. Viel wichtiger ist die Frage „Wer macht die Regeln?“ Und dann sind wir in der Politikwissenschaft beziehungsweise politischen Ökonomie. Wie ist das Verhältnis zwischen Großkonzernen, Lobbyismus und Politik? Welche Veränderungen hat der Aufstieg Chinas?


Vor Jahren war zum Beispiel die Kontrolle der großen Technologiekonzerne ein Thema für Sozialdemokraten in Deutschland und Demokraten in den USA. Ich habe 2014 an einem vom verstorbenen früheren FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher herausgegebenen Sammelband „Technologischer Totalitarismus“ mitgeschrieben. Co-Autoren waren unter anderen Sigmar Gabriel, Martin Schulz, Matthias Döpfner und Shoshanna Zuboff. Heute hört man von den Sozialdemokraten und den Demokraten in den USA kaum noch etwas über die Macht der Technologiekonzerne, denn sie haben diese Macht massiv eingesetzt, um für die Demokraten in den USA Stimmung zu machen. Solche Hintergründe muss man wissen.


Ob sich Krisen nun an Regeln halten oder nicht – gibt es Regeln, an die Sie sich als Investor in Krisenzeiten halten?


Aber selbstverständlich: Hinterfragen Sie alles, besonders den Hype des Tages. (Das ist aktuell Bitcoin.) Hinterfragen Sie sich ständig. Viele suchen vor allem nach Bestätigung für ihre Investments. Dabei ist es viel wichtiger, widersprüchliche Informationen zu suchen und auszuwerten.


Und zudem: Sachwerte schlagen Geldwerte. Kontoguthaben, Lebens- und Rentenversicherungen in großem Umfang sind keine gute Idee, da sie Nominalwerte sind und im Wert schrumpfen müssen. Dann lieber Aktien, Edelmetalle und (in Maßen, weil schon sehr teuer) Immobilien. Aktien sind im Übrigen zwar satt bewertet, aber keinesfalls in einer Blase. Wenn der Melt-up-Boom kommt, stehen Sie mit Aktien gut da. Der Max Otte Vermögensbildungsfonds (ISIN: DE000A1J3AM3) profitiert schon sehr von seinen Aktienengagements.


Herr Otte, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!


Tipp: Das Buch „Die Krise hält sich nicht an Regeln  99 Antworten auf die wichtigsten Fragen nach dem Corona-Crash“ ist im FinanzBuch Verlag erschienen und über diverse Kanäle online bestellbar. ISBN: 978-3-95972-460-9


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