Energie-Experte K.H. Schult-Bornemann ist seit 28 Jahren im Mineralölgeschäft tätig und war in den vergangenen 18 Jahren an der Erstellung der Energieprognosen von ExxonMobil beteiligt. ExxonMobil ist das größte Unternehmen der Welt in Bezug auf Umsatz, Gewinn und Börsenkapitalisierung und das älteste Energieunternehmen in diesem Sektor. Seit Oktober 2007 ist Schult-Bornemann Lehrbeauftragter an der Universität Magdeburg und als selbständiger Energy Consultant weiter mit ExxonMobil Central Europe verbunden. Er kennt die Herausforderungen der Tiefsee-Exploration, welche bereits gelöst wurden, und vor allem, welche uns noch bevorstehen.

FondsDISCOUNT.de: Herr Schult-Bornemann, Sie sind seit 28 Jahren im Mineralölgeschäft tätig und haben viele Weiterentwicklungen miterlebt. Wo stehen wir heute – im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten?
K.H. Schult-Bornemann: Ein großer Teil des Fortschritts liegt lange vor dem Niederbringen der ersten Bohrung. Die technischen Möglichkeiten, die Erde zu untersuchen und Daten im Vorfeld auszuwerten, sind heute so ausgefeilt, dass das Verhältnis von trockenen zu fündigen Bohrungen von 10:1 auf 2:1 verbessert werden konnte. Wenn Sie also nur zwei statt zehn Bohrungen machen müssen, können Sie bei der einzelnen Bohrung wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen und haben immer noch enorm viel gespart.

Welche Techniken sind das?
Also, bei ganz unerschlossenen Gebieten wertet man zunächst Satellitendaten aus. Was man heute misst, ist zum Beispiel das Schwerkraftfeld der Erde. Aus diesen gravimetrischen Daten kann man ablesen, wie die geologische Struktur in vier, fünf Kilometern Tiefe ist. Auch Magnetfelder werden erfasst. Wenn diese Daten gut sind, macht man seismische Untersuchungen, mit denen man dreidimensionale Bilder von Kilometer tiefen Erdschichten erstellen kann. Man kann dann natürlich von oben wesentlich genauer dahin bohren, wo hoffentlich Öl oder Gas zu finden ist. Und das Neueste ist jetzt eine elektromagnetische Suchmethode: R3R. Damit können Ingenieure nun auch feststellen, was tatsächlich dort unten ist: Wasser, Gas, CO2 oder Öl. Das konnte man vorher nicht, es waren nur die jeweiligen geologischen Strukturen zu sehen. Diese Suchmethode läuft Offshore vor Angola und Kolumbien sehr erfolgreich, und das wird die Kosten nochmals drastisch senken.

Das heißt, heute weiß man eigentlich schon vorher, wo Öl und Gas zu finden ist?
Man weiß heute viel mehr im Vorfeld als früher. Aber erst, wenn gebohrt wird und die Zuflussrate und die Qualität des Öls oder des Gases festgestellt werden, kann man wirklich sicher sein. Ganz getreu dem alten Bergmannspruch: Vor der Hacke ist es duster.

Wie geht es dann weiter?
Wenn die Daten vielversprechend waren, kommt ein Explorationsschiff und wird fest verankert. Es macht eine relativ dünne Bohrung, um zu prüfen, was in welcher Tiefe und in welcher Qualität zu finden ist. Erst dann gilt ein Fund als"durch Bohrungen bestätigt”. Erst wenn die Probebohrung positiv war, kommt eine dieser großen Produktionsplattformen zum Einsatz, die heute um die 2 Mrd. Dollar kosten. Die wird ganz fest verankert, und zwar heute in bis zu 2.000 und 3.000 Metern Wassertiefe. Da unten fängt dann die Bohrung an und geht noch einmal bis zu elf Kilometer in die Tiefe.

Und was hat das Ganze nun mit einer Schwarzwälder Kirschtorte zu tun?
Mit der heutigen Bohrtechnik kann man in beliebiger Tiefe eine Bohrung unterirdisch ablenken und dann horizontal bohren. Man kann also auch längs durch die Zielschicht bohren, während man früher immer wieder von oben an einer neuen Stelle ansetzen musste. Das ist schwer vorstellbar, deswegen vergleiche ich das immer mit einer Schwarzwälderkirschtorte, in die man mit einem Strohhalm bohrt. Oben kommt das fette Weiße, da wollen wir nicht rein. Dann kommt eine braune Schicht, da wollen wir auch nicht rein und so fort. Aber dann kommt die rote Schicht, in die der anständige Bäcker einen guten Schuss Schwarzwälder Kirschwaser gegeben hat, und diese Schicht, in der der Sprit drin ist, da wollen wir hinein. Ich habe mal mit einem Chef-Ingenieur über die Tiefseebohrung in 2 bis 3 km Wassertiefe gesprochen. Der hat mir gesagt, es sei genauso schwierig, als wenn wir auf dem Mond bohren würden. Und die Jungs neigen ja nicht zu blumigen Übertreibungen.

Und was passiert, wenn das Öl einmal zu Ende ist?
Einen Mangel an Öl sehe ich nicht. Wenn Sie die absoluten Zahlen vergleichen, dann ist der Zuwachs der Reserven ungefähr fünfzigmal so groß wie der Zuwachs des Verbrauchs. Die Reservenzahlen, die Sie immer in der Zeitung lesen, sind nur die sicher bestätigten Reserven. Das heißt, nur solche, die durch Bohrungen bestätigt, mit heutiger Technik förderbar und zu heutigen Preisen wirtschaftlich sind. Diese Reserven sind also nur ein kleiner Teil von dem, was wir als Ressourcen bezeichnen. In den letzten Jahrzehnten hat zwar auch die Förderung zugenommen, aber fast in jedem Jahr haben die Reserven stärker zugenommen als die Förderung, und die Ölreichweite ist beständig gestiegen. 1940 hatten wir bei 6 Mrd. Tonnen Reserven noch 21 Jahre Ölreichweite. Im Jahr 2000 lag die Ölreichweite bereits bei 40 Jahren mit 140 Mrd. Tonnen. Heute liegen wir schon bei 46 Jahren. Es wird sicher teurer werden, das Öl zu fördern. Die gute Nachricht aber lautet: Es gibt noch länger Öl, als wir es brauchen werden. Man kann es eigentlich nicht besser ausdrücken als Scheich Yamani, der langjährige saudiarabische Ölminister: "Das Ölzeitalter wird nicht aus Mangel an Öl zu Ende gehen, genauso wie die Steinzeit nicht aus Mangel an Steinen zu Ende gegangen ist.” Das hört sich lächerlich an, es steckt aber mehr Weisheit darin, als man auf den ersten Blick merkt. Selbst wenn wir im Jahr 2100 nur noch Elektrofahrzeuge haben, dann müssten wir uns Gedanken machen, wo der Strom dafür herkommt. Also, auch wenn das Öl für den Transport nicht mehr in dem Maße gebraucht wird, kommt es zum Einsatz in der petrochemischen Industrie.

Herr Schult-Bornemann, wir bedanken uns für dieses Gespräch.