FondsDISCOUNT.de: Herr Professor Otte, für Anleger sind schlechte Zeiten angebrochen: Durch Abschaffung der Zinsen durch die EZB rechnen sich beliebte Sparformen überhaupt nicht mehr, im Gegenteil – Negativzinsen und höhere Gebühren etwa für Girokonten zehren am Vermögen. Wie bewerten Sie die Notenbankpolitik vor diesem Hintergrund?
Max Otte: Die westlichen Industrienationen sind überschuldet und wirtschaftspolitisch mit ihrem Latein am Ende. Es bleibt nur noch die Geldpolitik, um den Motor irgendwie am Laufen zu halten. Wenn jemand nur einen Hammer hat, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Die Negativzinsen sind nach dem billigen Geld und dem Ankauf von Staatsanleihen, also der monetären Staatsfinanzierung nun die dritte Stufe in diesem verzweifelten Spiel. Diese Politik kann nicht die Lösung bringen, aber sie kann die Zeit hinausschieben, zu der uns die Probleme mit voller Wucht einholen. Es profitieren im Übrigen viele davon: die Staaten, die Reichen und die Private-Equity-Gesellschaften sowie die Großkonzerne, die sich alle billig verschulden können. Nur die Bürger und Sparer nicht.

Um den Konsum anzukurbeln, wird derzeit die Ausgabe von sogenanntem Helikoptergeld diskutiert. Hierbei würde die Zentralbank jedem Europäer eine gewisse Summe überweisen. Wie ernsthaft und auch wie sinnvoll sind solche Überlegungen Ihrer Meinung nach?
Schon jetzt drucken wir Geld aus dem Nichts. Es kommt aber vor allem dem Finanzsektor, den Vermögenden und den Staaten zugute. Wenn wir schon Alchimie betreiben, dann ist auch nichts gegen Helikoptergeld einzuwenden. Das würde wenigstens die Bürger freuen. Der Kater kommt hinterher sowieso.

Ein weiteres Thema, das die öffentliche Diskussion mittlerweile erreicht hat, ist die Abschaffung des Bargelds. Sie gelten als Kritiker einer Limitierung oder gar Abschaffung von Barmitteln. Was sind Ihre Gründe?
Bei der Bargeldabschaffung geht es um alles. Eine bargeldlose Welt würde uns unserer Freiheit berauben und uns zu schutzlosen Subjekten eines allmächtigen Systems machen. Eine Staats- und Konzernwirtschaft, der wir restlos ausgeliefert sind. Deswegen habe ich auch die Initiative www.rettet-unser-bargeld.de gestartet. Die Gründe kurz zusammengefasst:
  • In einer bargeldlosen Wirtschaft würden wir zwangsläufig zu "Geiseln der Banken" gemacht.
  • Wenn die (weitgehend) bargeldlose Wirtschaft umgesetzt ist, könnten bankrotte westliche Industrienationen daran gehen, einen "Neustart" unseres Währungssystems inklusive weitreichender Enteignungen durchzuführen.
  • Ihr ganzes Leben wird durchsichtig. Alle Ihre Käufe und Verkäufe sind bekannt und auf ewig registriert. Es gibt keine Geheimnisse mehr – zumindest keine, die etwas kosten.
  • Ihre Konsumgewohnheiten wandern in extrem leistungsfähige Datenbanken. Ihr Profil wird zum Eigentum einer oder mehrerer Konzerne. Ihr Profil wird zur Ware. SIE werden zur Ware.
  • Das "System" – seien es Staaten oder Konzerne – hätte Methoden der Wirtschaftslenkung, von der man in früheren Planwirtschaften nur träumen konnte.
  • Politisch unliebsamen Personen kann man einfach den Saft abdrehen, also das Geld sperren.

Auf dem Konto wird das Geld nicht mehr, sondern weniger, auf Bundesanleihen gibt es ebenfalls keine Renditen mehr – Anleger sind also geradezu gezwungen, mehr ins Risiko zu gehen. Müssen die Deutschen ihre Aversion gegen Aktien endlich hinter sich lassen?
Ja, ja, und ja!

Sie selbst beraten zwei international investierende Aktienfonds, den Max Otte Vermögensbildungsfonds und den PI Global Value Fund, und haben eine spezielle Methode für die Titelauswahl entwickelt. Wie gehen Sie vor?
Mit meiner Methode, der Königsanalyse (C), bestimmen ich und mein Team die Qualität der Unternehmen. Zusätzlich bestimmen wir einen fairen ökonomischen Wert. Wenn die Aktie zu einem Abschlag gehandelt wird, kaufen wir, wenn die Aktie über dem fairen Wert notiert, verkaufen wir.

Welche Branchen haben Sie derzeit im Fokus?
Wir haben relativ viel IT-Unternehmen mit Endkundenbezug wie z.B. Alphabet (Google). Dazu auch klassische Konsumgüterunternehmen und Markenartikler. Alles in allem bevorzugen wir Unternehmen, die sich auch in einem schwierigen Umfeld weiterentwickeln werden. Die Aktien dürfen aber nicht zu teuer sein.

Welche Anlageformen halten Sie neben Aktieninvestments außerdem für aussichtsreich?
Gold sollte man als Versicherung haben – aber nur als Beimischung. Von der Idee, das ganze Vermögen in Gold aufzubewahren, halte ich nichts. Wenn der Bargeldumlauf stark eingeschränkt wird, ist das auch für Gold problematisch. Trotzdem ist Gold eine wunderbare Assetklasse. Ich kenne keinen, der Gold hat und sich darüber beschwert hat.

Herr Professor Otte, vielen Dank für dieses Interview!