MiFID II – die Markets in Financial Instruments Directive – ist da. Die 7.000 Seiten starke Finanzmarktreform betrifft nahezu alle Akteure europäischer Finanzdienstleistungen, z.B. Banken, Broker, Asset Manager und auch Privatanleger. Das sieben Jahre lang ausgehandelte Regelwerk soll Investoren einen größeren Schutz bieten sowie mehr Wettbewerb im Handel mit Assetklassen wie Aktien, Anleihen, Rohstoffen, Futures oder Exchange Traded Products ermöglichen. Befürworter glauben, dass der Anpassungsdruck der Unternehmen mehr Qualität auf dem Markt der Finanzdienstleistungen hervorbringen und minderwertige Geschäftsmodelle aussortieren könnte.


Das Problem: Viele Fondsmanager und Finanzdienstleister hinken mit der Umsetzung der Richtlinie hinterher – auch aufgrund der Politik: Nur elf der 28 Mitgliedstaaten der EU haben die Richtlinien nach Angaben der Europäischen Kommission bereits in nationales Recht umgesetzt. 20 Prozent aller Änderungen sind erst in den vergangenen sechs Monaten entstanden und in vielen Bereichen ist noch überhaupt nicht klar, wie die Regulierungen umgesetzt werden sollen.


Allein die Modernisierung der IT-Systeme kostete Unternehmen Schätzungen zufolge mehr als zwei Milliarden Euro in 2017.  Ein hoher Mehraufwand entsteht den Finanzmarkt-Akteuren überdies Im Bereich der Dokumentation von Handelsaktivitäten. Broker und Fondsmanager müssen sämtliche Informationen vor dem Zustandekommen eines Trades dokumentieren und die Daten für mindestens fünf Jahre speichern.


Mit der Reform will die EU den sogenannten „Dark Pools“ auf den Grund gehen. Das sind weitgehend unregulierte, private Märkte, auf denen Investoren große Volumina an Wertpapieren kaufen und verkaufen können, ohne den genauen Preis angeben zu müssen. Das Handelsvolumen in Dark Pools hat sich seit 2010 Schätzungen von Bloomberg zufolge fast verfünffacht. Künftig dürfen nur acht Prozent des Volumens einer Aktie in Dark Pools gehandelt werden.


Mehr Regulierung, weniger Wettbewerb?


Die größte Herausforderung für Asset Manager besteht aber darin, die Kosten für Analyse-Dienstleistungen – sogenanntes „Research“ – von den Handels- und Brokerkosten zu trennen. Ziel ist es, mehr Transparenz für Investoren zu ermöglichen und Potenzial für Interessenskonflikte zu beseitigen. Dieses Ziel löste in den vergangenen Monaten eine Debatte über den Wert von Finanzmarkt-Analysen aus. Die Kosten gehen weit auseinander. Die Preisspanne für ein Telefonat mit einem Finanzmarkt-Analysten reicht einer Umfrage zufolge von 800 bis zu 10.000 US-Dollar. Einige Asset Manager sollen eine Jahrespauschale in Höhe von bis zu zehn Millionen US-Dollar für die Nutzung von externen Research-Dienstleistungen von Banken gezahlt haben, berichtet die Financial Times ohne ihre Quellen offen zu legen.


Im besten Fall könnte die Kostentransparenz dafür sorgen, dass überzogene Preise der Vergangenheit angehören. Größere Asset Manager von Banken und Brokern dürften also von MiFID II profitieren und sich Marktanteile sichern. Die Befürchtung, dass die Kosten einfach auf die Anleger umgelegt werden könnten, hat sich bis jetzt noch nicht bewahrheitet. Die Mehrheit der größten Asset Manager – darunter BlackRock, Vanguard und Schroders – möchte selbst für die Kosten der Finanzmarkt-Analysten aufkommen.


Auch bei Allianz Global Investors, Flossbach von Storch und Deutsche A.M. hat man sich dazu entschieden, die Ausgaben selbst zu tragen. Der französische Vermögensverwalter Carmignac hingegen will die Kosten nicht übernehmen. Auch die Fondssparte der Sparkassen, Deka, wird die Research-Ausgaben Anlegern in Rechnung stellen.


Im schlimmsten Fall könnten kleinere Fondsboutiquen in Existenznot geraten, da sie die Kosten nicht so einfach selbst tragen können wie ihre großen Konkurrenten. Sollten sie die Kosten auf die Investoren abwälzen, könnten diese sich mit dem Verkauf von Fondsanteilen an den kleinen Fondsgesellschaften rächen. So könnte MiFID II genau das Gegenteil erreichen, was die Direktive der EU eigentlich zu bezwecken versucht, nämlich den Wettbewerb zu stärken.


Research-Engpass könnte Gewinn-Chancen mindern


Der Kostendruck auf kleine Fondsgesellschaften könnte die Konsolidierung der Fondsindustrie 2018 also beschleunigen, nachdem das vergangene Jahr bereits durch mehrere Fusionen – z.B. Janus Henderson, Standard Life Aberdeen, Amundi Pioneer – gekennzeichnet war. Fondsboutiquen könnten von großen Asset Managern übernommen oder als Multi-Boutique-Model unter dem Dach einer großen Schirmorganisation weitergeführt werden. Neue Gesellschaften sehen sich somit vor dem Markteintritt mit hohen Eintrittsbarrieren konfrontiert. Das spielt den großen Gesellschaften in die Hände.


Kleine und große Asset Manager tragen hohe Kosten für die Forschungs-Dienstleistungen von Analysehäusern. Eine Untersuchung von 330 europäischen Asset Managern legt die Kosten auf einen Anteil von 0,1 Prozent des verwalteten Vermögens pro Jahr fest. Asset Manager im Aktienbereich würden somit auf Research-Kosten von etwa 2,6 Milliarden Euro pro Jahr kommen, ergeben Berechnungen des CFA Instituts, einer gemeinnützigen Organisation von Finanzanalysten in Charlottesville, USA.


Asset Manager mit einem verwalteten Vermögen von über 250 Milliarden Euro können die Rechnung auf mehrere Teams aufteilen. Fast die Hälfte von ihnen erwartet, dass die Kosten nach der Umsetzung von MiFID sogar sinken werden. Dahingegen erwarten dies nur 29 Prozent aller Gesellschaften mit einem verwalteten Vermögen von weniger als einer Milliarde Euro, belegen Zahlen des CFA.


Neben dieser ungleichen Kostenbelastung besteht die Gefahr, dass vermutlich auch die Informationsdichte von kleinen und großen Gesellschaften nach MiFID II stark voneinander abweichen wird. Große Gesellschaften können strategisch Preisnachlässe aushandeln oder einen tieferen Einblick in die Datenbänke der Research-Unternehmen erhalten. Kleinere Gesellschaften laufen Gefahr, vom Erhalt wichtiger Informationen ausgeschlossen zu werden – seien es Telefonate oder Meetings mit Analysten oder regelmäßige Reports. Die Daten des CFA Instituts belegen, dass große Gesellschaften bereits jetzt doppelt so viel ihres Research-Budgets (40 %) für den direkten Kontakt mit Analysten ausgeben wollen als kleine Gesellschaften (20 %).


All diese Vermutungen müssen sich jedoch erst bestätigen. Die Preisentwicklung für Research könnte infolge der Umsetzung von MiFID II auch in den Keller rutschen und die Analysehäuser selbst vor Geldprobleme stellen. So vermuten Marktbeobachter, dass es künftig weniger Research-Unternehmen geben werde. Informationen zu kleineren Aktiengesellschaften abseits des Mainstreams dürften dann rar werden und die Gewinnchancen für Investoren mindern. Aktien von Unternehmen mit einer geringen Marktkapitalisierung könnten zudem illiquider werden.


Die konkreten Auswirkungen von MiFID II auf die Asset Manager ist noch nicht in vollem Umfang absehbar. Kleinere Unternehmen gelten aber als anpassungsfähig. Deshalb muss die Praxis zeigen, ob die Fondsboutiquen der Herausforderung durch MiFID II gewachsen sein werden.