Der Dienstag passierte etwas, das bis vor kurzem undenkbar war: Zwei Unternehmen – Henkel und Sanofi – ohne Staatsbeteiligung begaben eine Anleihe mit einer negativen Rendite. Anleger übernehmen die Kosten, die üblicherweise fürs Schuldenmachen gezahlt werden müssen.

Henkel begibt Anleihen im Volumen von 500 Millionen Euro mit einer Laufzeit bis 2018, der französische Pharmariese Sanofi bietet Bonds mit einem Volumen von einer Milliarde Euro bis 2020. Beide Male liegt die Rendite bei minus 0,05 Prozent, wie die Financial Times meldet. Zwar hat mit der Deutschen Bahn bereits ein Unternehmen mit minus 0,006 Prozent eine Negativ-Anleihe begeben, doch hier gehört der Betreiber dem Staat.

Verkehrte Welt
Die EZB hat in den vergangenen Monaten bereits Unternehmens-Bonds aufgekauft, weil zahlreiche Staatsanleihen nicht mehr den Kaufkriterien entsprechen. Die Ankündigung kam bereits im Dezember 2015, seit Juni werden neben Staatsanleihen, Pfandbriefen und Wertpapieren von Kommunen und Regionen tatsächlich Corporate Bonds aufgekauft – bislang in Höhe von insgesamt 20 Milliarden Euro.

In der Folge wurde der Ertrag für diese Schuldpapiere durch die Anleger und deren Gerangel um die Renditen deutlich nach unten gedrückt. Fast ein Drittel aller Anleihen aus dem „Investment-Grade“-Bereich werden für den Anleger bereits als Verlustgeschäft gewertet.

Aus der Eurozone sind aktuell Unternehmensanleihen mit Investment-Grade im Volumen von 706 Milliarden Euro mit negativen Renditen ausgestattet (Stand: 5. September). Das entspricht einem Anteil von 30 Prozent des Gesamtmarkts, so die Trading-Plattform Tradeweb. Im Januar lag die Quote noch bei fünf Prozent. Die EZB manipuliere den Markt für Unternehmensanleihen, kritisiert daher auch Carmignac-Topmanager Didier Saint-Georges kürzlich. Die Notenbank würde Investoren ihr Leben erschweren – und nicht einmal ihre eigenen Ziele erreichen.

Der Anleihen-Markt ist ausgetrocknet
Laut den Banken „verdauen“ die Investoren die Verluste, weil sie kleiner sind als jene auf Staatsanleihen, so die FT. Die zweijährige Bundesanleihe bringt aktuell minus 0,67 Prozent Rendite. Gleichzeitig verlangen immer mehr Banken Geld für das Parken von Bargeld. Das trifft (momentan) vor allem institutionelle Anleger hart.

„Wir versuchen es, in unsere Köpfe zu bekommen“, so Edward Farley, Leiter für europäischen Unternehmensanleihen bei PGIM Fixed Income zum Wall Street Journal. „Es scheint ziemlich bizarr, ein Unternehmen zu fragen, ob man ihm sein Geld anvertrauen kann, und dann gibt einem das Unternehmen nach zwei bis drei Jahren weniger zurück als es erhalten hat.“ Die Unternehmen sehen die Angelegenheit pragmatisch: „Mit dem Rekordtief bei den Zinsen haben wir beschlossen, opportunistisch zu sein“, zitiert das WSJ die Sprecherin von Sanofi.

Das im März 2015 gestartete Anleihenkaufprogramm der EZB umfasst mittlerweile Papiere im Volumen von einer Billion Euro. Zahlreiche Experten rechnen mit einer erneuten Verlängerung des Programms, das ursprünglich diesen September enden sollte, aber bereits auf März 2017 verlängert wurde.

Die Zentralbanken sind bereits einer der größten Investoren auf dem Anleihenmarkt geworden. Im WSJ wird nun offen spekuliert, ab wann sich die EZB auch in den Aktienkauf stürzen will. Am Aktienmarkt würde dieser Schritt nach China-Trubel, Banken-Krise und Brexit wohl den nächsten Schock bedeuten.

Zwar stehen diese Pläne nicht auf der kurzfristigen Agenda, aber EZB-Vertreter haben diese Idee offiziell nicht ausgeschlossen. Sollte weiterhin das Inflationsziel von zwei Prozent unterschritten werden, könnten Aktienkäufe wieder an Brisanz gewinnen.

In der Schweiz wird diese Maßnahme bereits seit zehn Jahren in die Praxis umgesetzt: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat Aktien im Wert von 100 Milliarden Dollar aufgekauft – darunter US-Bluechip-Unternehmen wie Coca-Cola, Apple, Ebay, Nike und Monsanto. Hintergrund ist hier, die massiven Devisenbestände zu diversifizieren. Die Aktien machen inzwischen 20 Prozent der Reserven aus. Laut Geschäftsbericht ist die SNB an rund 6700 Unternehmen beteiligt, tabu sind allerdings Investitionen in Schweizer Unternehmen.

Ein weiterer großer Aktienhalter ist die Bank of Japan. Die Aktienbestände, die allerdings über ETF-Fonds gehalten werden, machen dort 98 Milliarden Dollar aus. Das entspricht etwa 1,6 Prozent des Börsenwerts der japanischen Unternehmen. Dennoch zählt die Zentralbank zu den wichtigsten zehn Aktionären in 90 Prozent aller Unternehmen, die im Nikkei-225-Index enthalten sind. Schätzungen zufolge wird die Bank of Japan in absehbarer Zeit vielen Großunternehmen der größte Anteilseigner sein wird.