Vor dreißig Jahren hatten Banken so gut wie keine weiteren Wettbewerber. Finanzberatung oder Dienstleistungen erfolgten vor Ort in der Filiale. Das Vertrauen in die Institute war extrem hoch, im Leben der Kunden spielten sie eine relevante und konstante Rolle. Das ist vorbei.

Eine aktuelle Studie zeigt die Auswirkungen der neuen Konkurrenten auf das Bankwesen: Die Kunden verringern ihre Verbindlichkeiten bei den Geldhäusern. Die Bankenbranche ist global gesehen sehr anfällig, ihre Kunden an nicht-traditionelle Finanzdienstleister zu verlieren.

Anfang August veröffentlichte der Unternehmensberater Ernst & Young (EY) diese brisante Studie, bei der mehr als 55.000 Kunden weltweit befragt wurden. Der „Bank Relevance Index“ zeigt auf, wie stark Banken ihre Bedeutung verlieren und Kunden sich daher nach Alternativen zum klassischen Geldhaus umsehen. Gleichzeitig müssen die Banken kämpfen, um das Vertrauen ihren Kunden wieder zurückzugewinnen.

Der Wettbewerb verändert das Spiel
Schnell ändernde Kundenwünsche und Erwartungen würden demnach die Relevanz der Banken bedrohen. Davon profitieren einfach zu bedienende FinTech-Unternehmen, die sich so immer stärker als Alternativen zur klassischen Bank positionieren. Die Kunden würden daher immer stärker nach digitalen Diensten, leicht zugänglicher Information und maßgeschneiderten Produkten nachfragen. Nur bei einzelnen Produkten – wie Hypotheken, Krediten und Girokonten – dominieren heutzutage noch die Banken.

Ein weiterer Punkt sind die zahlreichen Skandale, die das Vertrauen in die Banken erodiert haben. Dieses schwindet gleich in mehreren Bereichen, wie etwa Datenschutz, Sicherheit, Gebührentransparenz und die Bereitstellung einer unabhängigen Beratung. Interessant: Das höchste Vertrauen in traditionelle Banken haben Chinesen und Inder, am niedrigsten ist es in Japan und Irland ausgeprägt.

Kunden nutzen in erster Linie die neuen Anbieter, um ihre Finanzen und Einkäufe zu verwalten. Am deutlichsten zeigen sich die Auswirkungen von Mobile Banking und nicht-traditionellen Bankanbieter in den Schwellenländern – wo das Vertrauen in Banken von jeher nicht das allergrößte ist. Kenia ist etwa weltweit führend beim Mobile-Payment.

Am schnellsten schwindet die Relevanz der Geldhäuser in Asien, was ebenfalls mit der Verbreitung von mobilen und nicht-traditionellen Möglichkeiten des Banking zusammenhängt, so die Studie. Ganze zwölf Prozent der befragten Kunden in Hongkong nennen nicht-traditionelle Banken bereits als ihren primären Finanzdienstleister.

Kunden gehen verloren
Der Verlust des klassischen Kundengeschäfts hat einen weiteren gravierenden Nachteil für die Banken: Es kommen weniger Kunden in die Filialen, gleichzeitig steigt der Anteil jener, die ihre Bankgeschäfte online abwickeln. Fast alle deutschen Banken haben in diesem Jahr bereits Filialschließungen angekündigt. Der Effekt wird so verstärkt.

Die Banken verlieren mit den Filialschließungen auch den Kontakt zu den Kunden – eigentlich ein enormer Wettbewerbsvorteil. Je stärker die Kunden ins Internet abwandern, desto besser können FinTechs ihre technische Kompetenz und Überlegenheit im Vergleich zum klassischen Bankgeschäft ausspielen. Die Kunden sind heutzutage besser informiert und wissen, was sie wollen. Auch Vergleiche einzelner Anbieter – etwa über die Höhe der Gebühren – fallen online viel leichter.

Die alteingesessenen Banken wissen, dass sie etwas ändern müssen. UBS-Chef Sergio Ermotti – eher dafür bekannt, Worte mit Bedacht zu wählen – überraschte mit folgender Ankündigung bei der Präsentation der Halbjahreszahlen: „Ich bin zuversichtlich, dass wir – wie andere Branchen auch – enger zusammenrücken werden, um Größenvorteile zu heben“. Erste Gespräche zwischen den einzelnen Banken gebe es bereits. „Aber das geht langsamer, als ich es für nötig halten würde“, zitiert Reuters den Bankenchef. Bis zum Durchbruch dürfte es noch fünf bis zehn Jahre dauern.

Einzelne Beispiele für die Zusammenarbeit der Banken gibt es bereits, etwa das Projekt „Symphony“. Über diese Chat-Plattform tauschen sich 18 Banken und Vermögensverwalter untereinander aus. Die Daten-Plattform „Clarient Entity Hub“ benutzen ebenfalls mehrere Banken gemeinsam. Hier werden Neukunden mit einem standardisierten System durchleuchtet, um sich etwa gegen Geldwäsche abzusichern, meldet Reuters.

Technik bedroht Tradition
Doch die größte Innovation, die die Banken beschäftigt (und sogar deren Existenz bedroht), ist die Blockchain-Technologie, die bei digitalen Währungen wie dem Bitcoin zum Einsatz kommt. Der große Vorteil der Cryptowährungen: Sie dezentralisieren die Zahlungen und sind dabei unabhängig von Geschäftsbanken, die die Transaktion durchführen. Der Prozess läuft folgendermaßen ab: Eine Transaktion wird in der Regel von mehreren Benutzern (den Miners) bestätigt. Der gemeinsame Datensatz wird als Block bezeichnet, die Blockchain ist folglich die gesamte Datenbank, welche alle Transaktionen enthält. Die Blockchain ist also zusammengefasst ein digitaler Kontoauszug, der dezentral zugängig ist. Daher ist er nur äußerst schwer manipulierbar.

Die Blockchain macht die Banken eigentlich überflüssig. Daher springen die Großbanken aus Angst vor der Konkurrenz in dieser Frage sogar über ihren Schatten: Die 30 größten Institute, darunter Deutsche Bank, UBS, JP Morgan, HSBC, Morgan Stanley, Citi, UniCredit und die schwedische Nordea, haben sich unter dem Namen „R3“ zusammengetan: Das Konsortium arbeitet – gemeinsam mit Microsoft – daran, wie die Blockchain-Technologie speziell für Großbanken genutzt werden kann. Das erste Mal, dass eine Zusammenarbeit dieser Art zwischen den Banken stattfindet.

„Wir sind weltweit von interessierten Banken überrannt worden, seit dem wir dieses Projekt vor einem Monat gestartet haben“, zitiert Reuters den CEO von R3, David Rutter, noch im Oktober 2015. Seitdem wurde die Zusammenarbeit weiter intensiv ausgebaut. Interessanterweise sind hier den Geldhäusern sogar die Zentralbanken noch einen Schritt voraus: Mit der Bank of England prüft die erste Notenbank bereits die Einführung einer virtuellen Währung wie den Bitcoin. Weitere Zentralbanken zeigen sich ebenfalls an Cryptowährungen interessiert.

Geldhäuser taumeln
Diese Entwicklungen bestätigen, was zahlreiche Beobachter seit geraumer Zeit feststellen: Die Banken stehen gewaltig unter Druck. Das zeigte sich auf vielen Ebenen: Etwa in dem Absturz der Bank-Aktien zu Jahresanfang. Gleichzeitig belastet ohne Frage die Niedrigzins-Politik der EZB das klassische Geschäftsmodell. Aktuell kündigten zahlreiche deutsche Banken das Ende des kostenlosen Girokontos an.

Manche Geldhäuser überlegen vor lauter Verzweiflung über die Negativzinsen sogar, dass Bargeld nicht bei der EZB zu lagern, sondern selber in riesigen Tresoren aufzubewahren. Besserung scheint nicht in Sicht: Die 20 größten Banken der Welt haben im laufenden Jahr bereits über ein Viertel ihres Marktwerts eingebüßt. Insgesamt sind so etwa 465 Milliarden US-Dollar vernichtet worden. Dazu kommen die Sorgen über notleidende Kredite – ganze 360 Milliarden Euro an faulen Krediten hat alleine der italienische Bankensektor angesammelt – der nach Expertenmeinung nur noch mit Steuergeldern gerettet werden kann.

So hat auch die EY-Studie eine gute und ein schlechte Nachricht für die Banken: Die meisten Verbraucher halten die Kernprodukte (Hypotheken, Giro- und Sparkonten, Darlehen, Kreditkarten, etc.) noch bei den Banken. Die schlechte: Etwa die Hälfte aller befragten Kunden kann sich vorstellen, künftig viele dieser Produkte über eine nicht-traditionelle Bank zu beziehen.